Mit der Finiten Elemente Methode (FEM) lassen sich die Reaktionen eines Bauteils auf äußere Lasten berechnen. Die FEM ist zum Standard für Ingenieure bei der Bauteilauslegung geworden. Ursprünglich rein für Berechnungsexperten zugänglich, steigt die Popularität für dieses Werkzeug auch für Ingenieure anderer Fachrichtungen wie z.B. Konstrukteuren.
Dieser Trend hält ungebrochen an und bringt natürlich (wie alles im Leben) Chancen und Risiken mit sich.
FEM 1.0
Möglich wurde dieser Trend durch die sich immer mehr vereinfachende Software.
Die Mathematischen Grundlagen der FEM wurden bereits Mitte des 20. Jahrhundert gelegt. Mangels verfügbarer Hardware fanden sie allerdings erst in den 1960er Jahren Einzug in die Industrielle Praxis.
Erste Softwarelösungen setzten absolutes Expertenwissen voraus. Dies galt für die Aufbereitung der Berechnungsmodelle, die Durchführung der Berechnungen und deren Plausibilisierung, sowie deren Interpretation. Alles war nur mit entsprechender Ausbildung und hohem mathematischen Verständnis möglich. Die meisten Softwarelösungen waren von Unternehmen oder Hochschulen selbst programmiert, was oftmals noch ein hohes Maß an Programmierkenntnissen in der Bedienung und Anpassung der Software voraussetze. Nichts desto trotz war dank verfügbarer Hardware in den 1960er der Durchbruch in der Anwendung der industriellen Nutzung der FEM geschafft. Wegen der Vielzahl der Anforderungen (der Berechnungsingenieur musste die Software programmieren, Modelle aufbauen, Simulationen durchführen, plausibilisieren und interpretieren) bezeichne ich diese Phase gerne als FEM 1.0.
FEM 2.0
In der Folgezeit ab ca. den 1970er Jahren kamen die ersten kommerziellen Programme auf den Markt. Die Bedienung wurde zunehmend einfacher und es konnten immer größere Modelle gerechnet werden. Die Berechnung von Bauteilen blieb weiterhin FEM-Experten vorbehalten, da nur diese über das notwendige Know How verfügten. Allerdings musste die Software nicht mehr programmiert werden. Die Berechnungsingenieure konnten sich damit stärker auf die Modellbildung, Simulationsdurchführung und Interpretation der Berechnungsergebnisse konzentrieren, da die Programmierung entfiel. Insofern kann man hier von der Phase der FEM 2.0 sprechen.
FEM 3.0
Ab ca. den 1990er Jahren gab es zwei wesentliche Entwicklungen. Zum Einen wurden die Software insoweit erweitert, dass die Vernetzung wegen steigender Elementgüte mittlerweile nahezu automatisiert erfolgte. Zum Anderen wurden FEM-Programme immer stärker in CAD Systeme integriert und in Ihrer Bedienung massiv vereinfacht. Dies hat zur Folge, dass der Ingenieur nahezu vollautomatisch ein FEM-Modell aus CAD Geometrieen erstellen kann. Seine wesentliche Aufgabe besteht jetzt in der Plausibilisierung und der richtigen Interpretation der Berechnungsergebnisse, da in der Phase der Modellbildung die Geoemtrieerstellung und Vernetzung massiv vereinfacht werden . Wir können dies als die Phase FEM 3.0 ansehen.
FEM 4.0
In den letzten Jahrzehnten ist ein weiterer Trend offensichtlich geworden. Mehr und mehr werden Berechnungen vergeben. Oft fällt die Wahl auf Niedriglohnländer. Das Outsourcen können wir als Phase FEM 4.0 bezeichnen.
Damit bleibt die Frage im Raum, welche Aufgaben hat eigentlich ein hiesiger Berechnungsingenieur? Oder schaffen wir uns ab?
Diese Frage geht mit der Sorge einher, dass die Qualität der Berechnungsergebnisse sinkt, da FE-Netze automatisch erstellt und Berechnungen von „Fremden“ durchgeführt werden.
Ich denke, dass dies Bedenken richtig sind. Was sind als die Chancen?
Mit der einfacheren Bedienung der Software wird der Zugang zur FEM erleichtert, und mehr Ingenieure können damit bereits in frühen Konstruktionsphasen Bauteile auslegen. Damit ist es möglich, den Werkstoff besser auszunutzen und Bauteile effizienter zu gestalten. Wichtig ist dabei aber, dass die Ergebnisse plausibilisert werden (Weiteres dazu in folgendem Artikel).
Außerdem kann mit dem Outsourcen der Berechnungen der Fokus stärker auf die Interpretation der Ergebnisse und der Ableitung von Optimierungsmaßnahmen gelegt werden.
Fazit:
Ich bin überzeugt davon, dass sich trotz zunehmender Automatisierung und Outsourcing der FE-Rechnungen sich die Risiken in Grenzen halten. Auf der anderen Hand mehr Zeit für die Bewertung FE-Ergebnisse zur Verfügung steht. Diese gilt es zu nutzen, in dem z.B. saubere Betriebsfestigkeitsnachweise nach etwa der FKM Richtlinie geführt werden und Maßnahmen zur Optimierung des Bauteils ganzheitlich diskutiert und umgesetzt werden.