Never change a running system! Oder: Risiken aus Änderungen mit der DRBFM richtig bewerten

Der Slogan des Titels stammt aus der IT und bedeutet, dass man einen einmal eingerichteten und funktionierenden Computer im besten Fall nicht mehr verändert. Jede Veränderung birgt Risiken! Deshalb wurde die DRBFM entwickelt. Erfahren Sie, worauf es bei der Anwendung ankommt und wie diese richtig eingesetzt wird.

In diesem Artikel lernen Sie,

  • was die DRBFM ist,
  • woher die DRBFM stammt,
  • was Sie bei der Anwendung der DRBFM beachten müssen und
  • wie Sie eine DRBFM Schulung finden.

Hintergrund: Was ist die DRBFM?

Toyota hat in betriebsinternen Analysen herausgefunden, dass die größten Risiken von Änderungen an bisher robusten Produkten hervorgerufen werden. Das schließt auch scheinbar geringfügige Änderungen (die Bestellung des gleichen Werkstoffes von einem anderen Zulieferer) oder auch unbeabsichtigte Änderungen (die Änderung des Transportweges etwa per Seefracht anstelle des Transports per Bahn führt zu unbeabsichtigter Korrosion) mit ein.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass beachsichtige Änderungen (etwa die Verwendung eines kostengünstigeren Materials) sehr gut bewertet und validiert werden. Die unbeabsichtigten oder geringfügigen Änderungen hingegen stehen oftmals nicht im Fokus und haben dadurch gemäß der FMEA Bewertung ein höhere Fehlerpotenzial, da die Auftretenswahrscheinlichkeit sehr gering eingestuft wird damit auch die Risikoprioritätszahl PRZ eher klein ist.

Daraufhin wurde die Methode der DRBFM von Hr. Prof. Tatsuhiko Yoshimura, einem japanischen Qualitätsexperten und Professor der Kyushu Universität entwickelt. Der Grundgedanke der ihn leitete war, dass Produktrisiken aus Änderungen und aus mangelnder Dokumentation der Änderung resultieren. Ziel ist es also den Einfluss von Änderungen auf das Produkt frühzeitig zu bewerten. Mit der DRBFM werden somit alle Änderungen d.h. beabsichtigt und unbeabsichtigte durch einen Vergleich der Änderungen mit der Funktion des Bauteiles qualitativ zu bewerten und daraus mögliche Risiken abzuleiten.

Was heist eigentlich DRBFM?

Das Akronym DRBFM setzt sich aus zwei Teilen zusammen:

  1. DR – Design Review (oder deutsch: Konstruktionsdurchsprache). Das meint die gemeinsame Besprechung der aktuellen Konstruktion durch Experten)
  2. BFM – based on failure modes (oder deutsch: basierend auf Fehlermöglichkeiten). Das meint, dass der Fokus auf den potenziellen Risiken aus den Änderungen besteht und die Risiken bewertet und daraus Maßnahmen abgeleitet und überprüft werden.

Und wie unterscheidet sich die DRBFM von der FMEA?

Dabei weist die DRBFM eine große Ähnlichkeit zur FMEA auf. Jedoch mit ein paar kleinen aber signifikanten Unterschieden.

  1. Keine Moderation und ohne Software:
    Erfahrungen mit der FMEA haben gezeigt, dass Ingenieure (die generell eher kreative Köpfe sind) ungern mit fest und eng vorgegebenen Formularen arbeiten. Bei der DRBFM wurde deshalb Wert darauf gelegt, dass diese vom Projektingenieur selbständig bearbeitet werden kann.
    Deshalb werden die Inhalte so vorbereitet, dass diese auf DIN A0 in Papier ausgedruckt werden können und anhand dieser ausgedruckten Formulare und vielen Bauteilen wird das Design Review durchgeführt (siehe auch hier Link).
  2. Fokus auf Änderungen:
    Der Fokus der DRBFM liegt alleine auf Änderungen. Unter Änderungen wird nicht nur eine Designänderung verstanden, sondern auch Änderungen, die indirekt das Design beeinflussen.
    Das betrifft z. B. Anforderungen (Erhöhung der Einsatztemperatur um 20 K), erweiterte Nutzung (Einsatz des Produktes in einem neuen Land) oder neue Zulieferer (Freigabe eines neuen Zulieferers z. B. aus China).
  3. Frühzeitige Bearbeitung:
    Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer frühzeitigen Bearbeitung. Das hat zwei Gründe. Je früher die Änderungen bewertet werden, umso geringer ist der Aufwand (etwas überspitzt formuliert muss bei einer Änderung „nur“ ein Strich auf der Zeichnung geändert werden). Gleichzeitig sind noch viele Änderungsmöglichkeiten vorhanden (es bestehen noch viele Freiheiten bzgl. der Werkstoffauswahl, des Fertigungsverfahrens, der Zulieferer,…).

Gerade die FMEA wird häufig zu spät durchgeführt und dient dann nicht mehr der entwicklungsbegleitenden Verbesserung des Produktes, sondern ausschließlich der Dokumentation des Entwicklungsfortschritts.

Wie setze ich die DRBFM richtige ein?

Folgende Punkte sind besonders wichtig:

  1. Diskutieren Sie immer anhand von Zahlen, Daten Fakten (ZDF). Also anhand von messbaren Größen
  2. Besprechen Sie offen die fehlenden Punkte
  3. Halten Sie Reviews in Teams mit geeigneter Größe und Zusammensetzung der Teilnehmer ab
  4. Gehen Sie mit der richtigen Einstellung an die Arbeit

Ein kleines Beispiel soll die Anwendung der DRBFM zeigen.

Die Wandstärke für ein neues Kugelschreibergehäuse erhöht sich von 0,8 mm auf 0,9 mm. Der Außendurchmesser von 10 mm ändert sich nicht. Die bekannten Anforderungen an das Gehäuse sind:

  • Kosten < 1,5 Cent,
  • Gewicht < 12g,
  • Außendurchmesser < 12mm (Handhabung!) und
  • Aufnahme der Kugelschreibermine mit einem Außendurchmesser von 8 mm.

Wollen Sie einen schnellen und einfachen Einstieg in die DRBFM?

und wollen Sie die Risiken aus Produktänderungen effizient bewerten? Dann ist unser DRBFM Seminar genau richtig für Sie!

Inhalt Seminar DRBFM:

Lernen Sie in diesem Seminar die Methode der DRBFM Design Review Based on Failure Modes kennen um Risiken aus Änderungen zu bewerten und zu minimieren.
Umfangreiche Übungen und erfahrene Trainer helfen Ihnen die Hintergründe zu verstehen und die Methode direkt anzuwenden.

Länge:

1 Werktag (1/2 Tag Theorie, und 1/2 Tag Anwedung der Methode an Beispielen)

Zu 1) Diskussion anhand von Zahlen und Fakten:

Die Anforderungen sind durch Zahlen relativ gut belegt. Die erste Frage ist, ob diese ausreichend sind. Auffallend ist, dass keinerlei Toleranzen angegeben werden. Da oftmals gerade Toleranzen Probleme bereiten, sind diese unbedingt mit anzugeben. Für vorhandene Maße aus dem bestehenden Produkt sind diese wahrscheinlich einfach ermittelbar.

Für die Toleranzen des neuen Produktes (z.B. der neuen Wandstärke) gilt dies nicht mehr. Vorsicht gilt hier insbesondere bezüglich der Übernahme der Toleranzen aus dem Vorgängerprodukt. Denn: durch größere Maße (wie z.B. die größere Wandstärke) können die Toleranzen evtl. ebenfalls steigen, es ändert sich ja in der Fertigung der Prozess!

Fazit:
Erst die klare Beschreibung von Anforderungen mit Zahlen, Daten, Fakten (ZDF) machen diese richtig greifbar! Im Alltag wird dies oftmals nicht getan, sondern pauschal von z.B. größer, kleiner, teurer,… gesprochen.

Zu 2) Besprechen Sie offen die fehlenden Punkte:

Häufig werden neben den klar ausgesprochenen Anforderungen noch weitere (unausgesprochene) Anforderungen erwartet. Diese sind nicht immer klar beschreibbar, können aber über den Erfolg und die Kundenzufriedenheit maßgeblich mitentscheiden.

Im vorliegenden Fall könnten das z.B. sein:

  • eine Forderung nach einem Lebensmittelechten Kunststoff (da gerne auf Stiften gekaut wird, insbesondere wenn es sich für ein Produkt für Kinder handelt).
  • ein hochwertiges Erscheinungsbild. Der Kugelschreiber sollte sich auch nach Qualität anfühlen (z.B. höheres Gewicht, weiche Oberfläche, …)

Zusätzlich zu den genannten Anforderungen bleibt die Frage nach der Einsatzbedingung, also Anforderungen wie:

  • bei welcher Temperatur wird der Stift eingesetzt?
  • spielt die Feuchtigkeit eine Rolle?
  • gibt es korrosive Probleme (z.B. Handschweiß)?

Es gibt aber auch fehlende Anforderungen:

  • die Dichte des Materials um auf das Gewicht schließen zu können.

Häufig müssen für diese Anforderungen Annahmen getroffen werden. Zur Absicherung dieser Annahmen ist es wichtig, diese mit dem Kunden zu besprechen (etwa durch Markterhebungen, Kundenbefragungen oder Wettbewerberanalysen).

Fazit:
Die Sammlung und Quantifizierung der Anforderungen ist die Basis der DRBFM. Es kann nur gegen bekannte Anforderungen bewertet werden! Häufig ist dies der am meisten unterschätzte und gleichzeitig der schwierigste Teil, da Annahmen getroffen und/oder Kunden befragt werden müssen. Insbesondere wir Ingenieure, die gerne klare berechenbare Ergebnisse haben, tun uns mit diesem Schritt schwer.

Zu 3) Halten Sie Design Reviews in Teams mit geeigneter Größe und Zusammensetzung der Teilnehmer ab.

Um die oben genannten Punkte zu vervollständigen benötigen wir ein Review. In diesem wird die Sicht des Entwicklers vervollständigt und Maßnahmen festgelegt.

Zur Vorbereitung des Reviews werden:

  • die ersten eigenen Ideen und Fakten zu den Anforderungen niedergeschrieben und auf A0 Papier ausgedruckt
  • die Teilnehmer ausgewählt nicht mehr als 8 (eher weniger) und von jeder Funktion ein Vertreter (Einkauf, Verkauf, Produktion, Konstruktion, Erprobung,…) um einen effizienten Ablauf und eine möglichst breite Sicht zu erhalten.
  • das Management eingebunden (um im Review Entscheidungen zu treffen)
  • die Ziele des Reviews klar kommuniziert (z.B. Vorstellung und Vervollständigung der Anforderungen.
  • die Dauer des Reviews so knapp wie möglich gewählt (Hinweis: ein Meeting dauert immer so lange, wie es angesetzt ist!).

Zur Durchführung des Reviews sind ein paar Regeln zu beachten:

  • Arbeit mit Mustern, Zeichnungen, Skizzen, … (macht das Review / Problem greifbar)
  • Kein Powerpoint! (verleitet zu einer Kino Mentalität)
  • Ausdruck als DIN A0 (bietet einen Überblick über das gesamte Thema)
  • Diskussion im Stehen (macht ein Review aktiver, effizienter und regt zum Denken an)
  • Nutzen von Post It zum Festhalten der Ideen
  • Keine Quantifizierte Bewertung im DR notwendig aber von Vorteil d.h. 1.Schritt qualitativ und im zweiten Schritt dann quantitativ (eine Quantifizierung kann zu kompliziert werden und den Rahmen des Reviews sprengen).

Fazit:
Je besser das Review vorbereitet ist, umso effizienter (kürzer) und effektiver (bessere Ergebnisse) ist es. Bei der Vorbereitung sollte nicht an Aufwand gespart werden. Haben Sie den Mut in einem Review Entscheidungen zu treffen bzw. diese einzufordern! Machen Sie einen „Knopf dran“.

Zu 4) die richtige Einstellung

Oberste Priorität hat die Einstellung, dass potenzielle Fehler frühest möglich gefunden und abgestellt werden sollen. Daraus folgt, dass Reviews dazu dienen ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten. Sie helfen uns! Reviews sind nicht ein Prüforgan, vor dem man seine Arbeit „verteidigen“ muss.

Beginnen Sie möglichst frühzeitig im Entwicklungsprozess, dann liegt noch der größte Handlungsspielraum vor.

Halten Sie ihren eigenen Anspruch nicht zu hoch! Oftmals sind wir selber unsere größten Kritiker! Beginnen Sie und werden Sie schrittweise immer besser indem Sie bei dem kritischsten Problem beginnen und sich schrittweise zu den weniger riskanten Fehlern vorarbeiten.

Dabei sollten wir immer eine 80% Lösung (Beispiel einer 80% Lösung nach dem Pareto Prinzip) im Kopf haben, denn diese erlaubt es uns einen möglichst ganzheitlichen Blick auf das Problem zu erhalten.

Hierfür hilft die richtige Einstellung für den Umgang miteinander:

  • Wertschätzender Umgang (es wird angenommen, dass jeder best mögliche Arbeit leistet)
  • Offene Fragen (z.B. warum, wie, was helfen bei der Diskussion)
  • Konsens anstreben (es geht nicht darum zu gewinnen sondern darum alle Blickwinkel einzufangen)
  • Alle in das Review integrieren (oftmals haben gerade die ruhigeren Charaktere viel zu sagen, wenn Sie denn zu Wort kommen!)
  • Ganzheitliche Sichtweise aus mehreren Blickwinkeln (die Erfahrung verschiedener Fraktionen wie Einkauf, Simulation,… hilft ungemein)
  • Technik im Fokus

Die Erwartungen an die einzelnen Rollen sind wie folgt:

  • Der Entwickler: kennt & versteht sein Produkt inkl. der Concerns und der Auslegung
  • Das Review Team: schlägt Maßnahmen vor, vervollständigt die Sicht des Entwicklers durch andere Blickwinkel
  • alle: Es wird Ursachenorientiert, nicht lösungsorientiert gearbeitet und – ganz wichtig – es gibt keine Vorwürfe!

Fazit:
Wenn eine konstruktive Stimmung vorliegt, in der Probleme, Meinungen anderer Kollegen oder Sorgen offen diskutiert und gehört werden, dann ist dies genau die richtige Einstellung und Grundlage für eine gute Produktentwicklung und eine DRBFM.

Auf den Punkt:

  • Eine DRBFM bewertet Risiken aus bewussten oder unbewussten Änderungen
  • Die DRBFM wird vom Entwickler in Eigenverantwortung durchgeführt. Das erspart den Moderator und eine aufwändige und komplizierte Softwarelösung wie bei der  FMEA.
  • Es sollte so früh wie möglich im Enwicklungsprozess mit der DRBFM begonnen werden
  • Nutzen Sie wo immer es geht Zahlen Daten Fakten (ZDF) um konkret zu diskutieren und nicht zu spekulieren
  • Je gründlicher Reviews vorbereitet sind, umso effizienter und effektiver laufen diese ab
  • Das Reviewteam bringt weitere Blickwinkel ein und hilft bei der Vollständigkeit und es trifft Entscheidungen
  • Ein Reviewteam ist kein Prüforgan
  • Reviewbedingungen beachten bzgl. Präsentation und Mindset/Umgang miteinander
  • Wir arbeiten ursachenorientiert, nicht lösungsorientiert!
  • Eine konstruktive Stimmung im Team ist unerlässlich.

Wo finde ich eine DRBFM Schulung?

Haben Sie Interesse an der DRBFM und überlegen Sie sich, wie Sie beginnen sollen?

Dann ist evtl. eine DRBFM Schulung für Sie richtig. Im Rahmen der EinbockAKADEMIE bieten wir eine eintägige DRBFM Schulung an (Details).

Diese ist genau richtig für Sie, wenn Sie

  • Produktrisiken aus Änderungen mit der DRBFM bewerten wollen. Die Schulung zum Einstieg in die DRBFM fokussiert auf die wichtigen Grundlagen und beinhaltet eine verständliche Dokumentation.
  • die Methode anwenden möchten. In umfangreichen Übungen erhalten die dazu die ersten praktischen Erfahrungen. Außerdem erhalten Sie alle nötigen DRBFM Excel Tools also Vorlagen für Ihre eigenen Analysen.
  • die DRBFM schnell verstehen wollen. Innerhalb eines Tages lernen Sie die Hintergründe kennen und die Methode an praxisrelevanten Beispielen anzuwenden.
Bildquelle: Photo by Pixabay (bearbeitet),
Lizenz: CC0 1.0
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