Wenn Ihnen die experimentelle Wöhlerkurve nicht vorliegt stellt sich immer die Frage, welche Wöhlerkurvenneigung angenommen werden darf/muss. Die Wöhlerkurvenneigung scheint dabei in unglaublich großen Bereichen zu streuen. Demgegenüber steht die einfache Annahme einer konstanten Neigung von k=5 in der FKM-Richtlinie.
Wegen der direkten Abhängigkeit der berechneten Lebensdauer von der Wöhlerkurvenneigung ist oftmals die Befürchtung, dass damit die Unsicherheiten der Lebensdauerberechnungen steigen.
Wie kritisch das tatsächlich ist und wie man pragmatisch vorgeht, möchte ich kurz erörtern. [weiterlesen]
Zuallererst muss man sich klar machen, dass auch für denselben Werkstoff die experimentelle Ermittlung einer Wöhlerlinienneigung Streuungen unterworfen ist. Selbst bei Daten aus Datenbanken zeigt sich, dass Neigungen und Dauerfestigkeiten für denselben Werkstoff nicht konstant sind, sondern streuen. Eine exakte Angabe für einen Werkstoff ist damit nicht möglich.
Für den rechnerischen Nachweis ist die Neigung der Wöhlerkurve aber zwingend erforderlich. Sie muss rechnerisch abgeschätzt (z.B. Richtlinien / Normen) oder aus Datenbanken/Literatur genommen werden. Auf der anderen Seite gibt es aktuell keine bessere Möglichkeit die Neigung zuverlässig rechnerisch abzuschätzen, als eine konstante Neigung von k=5 anzunehmen.
Dies bedeutet, dass man mit der Annahme einer konstanten Neigung leben muss. Obwohl auch die Neigungen desselben Werkstoffes streuen. Dies erscheint als Widerspruch!
Es lässt sich aber erklären:
Denn einerseits muss jede experimentelle Wöhlerkurve als eine Stichprobe angesehen werden, die aus der Grundgesamtheit aller Wöhlerversuche eines Werkstoffes „gezogen“ wurde. Damit ist eine eindeutige Neugun von Wöhlerkurven nicht ermittelbar, sondern eher ein Bereich, in dem die wahre Neigung mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit liegen wird.
Und dann gilt andererseits, dass die Wöherlinienneigung von k=5 eine gute Schätzung für den zu erwartenden Mittelwert ist. Konkret heißt das, dass die Abweichung der wirklichen Neigung vom diesem Mittelwert kleiner sein wird als von einem zufällig in der Erprobung ermittelten Wert einer kleinen Stichprobe.
Es bleibt die Frage nach dem Einfluss auf die rechnerisch abgeschätzte Lebensdauer. Eulitz und Kotte konnten zeigen, dass die Streuungen der abgeschätzten Lebensdauern nur geringfügig steigen, wenn anstelle der experimentellen Wöhlerlinienneigung mit k=5 gerechnet wird.
Fazit:
Für den rechnerischen Betriebsfestigkeitsnachweis ungeschweißter Bauteile kann ruhigen Gewissens mit k=5 gearbeitet werden. Die Ergebnisse sind robust. Bei geschweißten Bauteilen wird mit k=3 gerechnet.